Wie können Unternehmen eine konsistente Unternehmenskultur gestalten und etablieren? Wichtige Frage, auch wenn „Kultur“ im Unternehmen erst mal schwammig klingt. In Zeiten, in denen sich Mitarbeiter mehr und mehr persönlich mit ihrem Arbeitgeber identifizieren wollen, ist die Kultur aber zunehmend wichtig – für Recruiting, Mitarbeiterbindung und -bewertung.

Unternehmenskultur

Unternehmenkultur ist ein wichtiges Thema

Früher oder später werden Werte und Kultur für jeden Gründer oder Geschäftsführer zum Thema, für manche schon ganz frühzeitig, für manche erst in späteren Stadien der Unternehmensentwicklung. Dabei ist die Definition der Unternehmenswerte an sich gar nicht die größte Aufgabe. Diese sind in den meisten Fällen schon implizit vorhanden und bestimmen die Arbeitsweise und Zusammenarbeit von Gründung an. Die größte Herausforderung ist vielmehr, die Werte explizit und fassbar zu machen und sie dann für jeden nachvollziehbar und konsistent in den Unternehmensalltag und den Zyklus jedes Mitarbeiters mit einzubinden, vom Onboarding bis zum Offboarding.

Um Werte nicht nur als schöne Begriffe im Raum stehen zu lassen, braucht es ein durchdachtes und schlüssiges Kriteriensystem, das jeden Wert ganz in einzelne handfeste Kriterien herunterbricht, an denen alle im Unternehmen ihr Handeln und Verhalten orientieren können.

Was braucht es um eine Unternehmenskultur zum Leben zu bringen?

Definition der Werte

Die schon vorhandenen Grundsätze – die in Startups häufig im Gründerteam entstanden und gelebt werden – müssen in Worte gefasst und explizit gemacht werden. Ein gutes „Transportmittel“ für Werte können auch ganze Leitsätze sein, die einen bestimmten Wert besonders griffig und intuitiv vermitteln.

Beispiele für den Wert „Pragmatismus“: „Aufschieben ist der Tod des Machens“, „Gut-statt-perfekt-Prinzip“

Anhaltspunkte zu den bisherigen Werten der Zusammenarbeit können zum Beispiel folgende Fragen liefern: Was ist jedem von uns wichtig? Was macht einen guten Mitarbeiter bei uns aus und warum? Mit welchem Verhalten kommt man bei uns nicht weit beziehungsweise eckt an?

Ableitung von einzelnen Kriterien aus den Werten

Um Werte noch greifbarer zu machen bietet sich das Herunterbrechen auf einzelne Kriterien an. Was bedeutet zum Beispiel der Wert Pragmatismus für die tägliche Arbeit? Dass man Dinge nicht unnötig aufbauscht, sondern lieber direkt an guten und schnellen Lösung arbeitet? Dass eine zeitnahe 80-prozentige Lösung besser ist als eine 110-prozentige, die dafür nie kommt? Dass Mitarbeiter lieber selber „machen“ und möglicherweise Fehler begehen sollen statt ständig zu fragen und sich zugunsten eines perfekten Ergebnisses abzusichern?

Anwendung der Kriteren im Recruitingprozess

Wenn die Kriterien erst einmal festgelegt sind, können sie bereits im Recruiting als Auswahl- und Einstellungskriterium genutzt werden, angefangen bei den Stellenausschreibungen, die sich nun viel klarer formulieren lassen, bis hin zu den Bewerbungsgesprächen, denen nun handfeste Kriterien zugrunde liegen. Wenn „Pragmatismus“ ein wichtiger Wert ist, sollte man das auch bereits in der Stellenausschreibung deutlich machen und im Interview gezielt danach fragen (Wie geht jemand zum Beispiel an neue komplexe Aufgaben heran, wie arbeitet er unter Zeitdruck, wie wichtig ist ihm Perfektion und so weiter).

Anwendung der Kriterien in der Mitarbeiterbewertung

Auch die Mitarbeiterbewertung wird durch die Definition von mit den Werten kongruenten Kriterien viel transparenter für alle Beteiligten. Wenn die Kriterien nicht nur dem Einstellungs- und Erwartungsgespräch zugrunde liegen, sondern sich auch durch sämtliche Feedbackgespräche ziehen, entsteht der automatische Effekt, dass Mitarbeiter nach denselben Kriterien bewertet werden, nach denen sie auch eingestellt wurden.

Wenn „Pragmatismus“ bereits bei der Einstellung ein wichtiger Wert war, sollte man den Mitarbeiter in späteren Gesprächen auch entlang seiner pragmatischen Entscheidungen und Vorgehensweisen bewerten.

Ein konsistentes System also für beide Seiten und die wichtigste Grundlage für das sogenannte „Alignment“, das im Wesentlichen meint, dass sich der Einzelne an der Zielrichtung des Unternehmens ausrichtet. Fehlendes Alignment ist in der Unternehmensrealität tatsächlich sehr oft auf unterschiedliche, teils konträre Kriteriensysteme innerhalb eines Mitarbeiterzyklus zurückzuführen.

Während im Interview anhand bestimmter Kriterien ausgewählt wird, gilt in Mitarbeitergesprächen oft ein völlig anderes, davon unabhängiges Bewertungsset. Solche Inkonsistenzen führen dazu, dass die Erreichung eines gemeinsamen Unternehmensziels unnötig erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird.

Definition von Recognition & Rewardmaßnahmen entlang der Kriterien und in Folge der Mitarbeiterbewertung

Um die Implementation der Werte und ihrer Kriterien komplett zu machen empfiehlt es sich, nicht nur die Mitarbeitereinstellung und -bewertung danach auszurichten, sondern auch das Vergütungs- und Bonisystem entsprechend zu gestalten. Wenn „Pragmatismus“ im Unternehmen wichtig ist, sollte konsequent gelebter und toll umgesetzter Pragmatimus auch incentiviert werden.

Kommunikation der Werte und ihrer Kriterien

Natürlich hilft auch das bestdurchdachte Werte- und Kriteriensystem nichts, wenn die Mitarbeiter es nicht kennen. Die gelungene Kommunikation der Werte und ihrer Kriterien ist erfolgsentscheidend dafür, ob eine säuberlich definierte Unternehmenskultur nur auf dem Papier und in den Köpfen der Gründer und Geschäftsführer präsent ist oder auch von allen gelebt wird. Die Kommunikation der Werte kommt vor allem (aber natürlich längst nicht nur) an folgenden Stellen ins Spiel:

Onboarding: Jedem neuen Mitarbeiter sollte die Unternehmenskultur von Anfang an nahe gebracht werden, am besten in strukturierter Form und in Interaktion. In den ersten Wochen bietet sich zum Beispiel eine Cultural-Onboarding-Schulung an.

Kick-Off: Findet die Definition der Unternehmenskultur erst zu einem späteren Zeitpunkt der Unternehmensentwicklung statt, müssen all die, die schon im Unternehmen sind, ein Kick-Off bekommen, das heißt eine kreative aber gleichzeitig informative Möglichkeit, sich mit den Werten auseinanderzusetzen. Ein größeres Team-Event, bei dem die Gründer oder die Geschäftsführer alle neuen Werte darstellen, ist ebenso denkbar wie mehrere kleinere Events, bei denen jeweils ein Wert das Thema ist. Hilfreich ist es auch, wenn die Werte im Büro sichtbar gemacht werden, an den Wänden, in Form von Plakaten, auf Tassen, Bildschirmschonern und und und.

Storytelling: Create legends! – Und das nicht nur einmalig bei Einführung der neuen Werte, sondern immer mal wieder, in Teammeetings durch das Erzählen passender Anekdoten, im internen Newsletter mit beispielhaften Erlebnissen von Mitarbeitern und so weiter. Alle Geschichten und kleinen Alltagssituationen, die zeigen, wie ein bestimmter Wert besonders gut gelebt wurde, eignen sich zum Storytelling.

Management: Wer, wenn nicht die Manager, können dafür sorgen, dass alle übergeordneten Zielausrichtungen mit den Werten übereinstimmen und dies auch entsprechen präsentieren und kommunizieren? Auch in Jour Fixes bietet es sich seitens der Manager manchmal an Bezug auf Werte und deren Kriterien zu nehmen. Genauso gilt das natürlich auch andersherum, denn selbstverständlich müssen sich auch die Führungskräfte an den Werten messen lassen. Je stringenter aber die Wertekommunikation des Managers ist und je mehr er die  Unternehmenswerte vorlebt, desto einfacher kann auch jeder Mitarbeiter die Werte leben und desto selbstständiger kann er darauf basierend Entscheidungen treffen.

Bild: eVo photo auf Flickr – CC Lizenz