Niclaus Mewes, CEO und Gründer von Mytaxi

Ein nebliger Freitag in Hamburg. Das Büro von Mytaxi an der Großen Elbstraße hat schöne große Fenster zum Hamburger Hafen hin, aber zu sehen sind heute nur graue Regenmassen. Die Stimmung bei Mytaxi ist dagegen prächtig. Auch wenn das Unternehmen gerade vor dem Landgericht Frankfurt eine Niederlage in Sachen Rabattaktionen einstecken musste. „Wir gehen auf jeden Fall in Revision“, sagt Mytaxi-CEO Nic Meves und gibt sich kämpferisch. Die Geschäfte laufen aber auch ohne die 50-Prozent-Aktionen gut. Mytaxi plant eine internationale Offensive.

Die Auseinandersetzungen mit den Taxigenossenschaften quer durch Europa, vor allen Dingen in Deutschland – wie ist da der Stand der Dinge?

Nach sorgfältiger Prüfung haben wir beschlossen, gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt in Revision zu gehen. Bisher haben alle Gerichte in Deutschland unsere Rabatt-Aktionen für rechtens gehalten und wir sind überzeugt, dass dies auch zukünftige Gerichte so sehen. Im Übrigen haben wir in anderen Länder keine derartigen Probleme.

Es gibt keine Streits mit Taxi-Genossenschaften im Ausland?

Auch in Deutschland sind es nicht nur Genossenschaften, die gegen uns vorgehen. Die meisten Taxizentralen sind inhabergeführte GmbHs, die sich sehr stark ausgebreitet und Monopole gebildet haben. Der Markt in anderen europäischen Städten ist viel fragmentierter. Da gibt es in vielen Städten teilweise Dutzende von konkurrierenden Zentralen. In diesen Städten ist man den Konkurrenzkampf gewohnt und auch, dass neue Mitbewerber auf dem Markt erscheinen. Wenn aber, wie oft in deutschen Städten, nur eine Taxizentrale den Markt beherrscht, dann versuchen diese Unternehmen ihr Monopol zu verteidigen, wie zum Beispiel in Köln.

In Köln hat Mytaxi für viele Schlagzeilen gesorgt. Seit 1983 hatte der Taxiruf Köln einen Pachtvertrag für die Stellplätze vor dem Hauptbahnhof. Mytaxi hat diesen Vertrag im Dezember 2015 übernommen. Prompt fällt der Stadt Köln auf, dass man die Stellplätze gar nicht verpachten darf, weil die Stellflächen öffentlicher Grund sind. Ärgert so etwas nicht?

Im Endeffekt nicht. Wir wollen ja Taxiunternehmen für unser System gewinnen. Bisher hatte der Taxiruf Köln das Exklusivrecht für den Hauptbahnhof. Wenn man dort Fahrgäste aufnehmen wollte, musste man Mitglied beim Taxiruf sein. Viele Fahrer wollten zu uns wechseln, haben dies aber nicht gemacht, weil sie sonst die Möglichkeit verloren hätten, am Bahnhof Geld zu verdienen. Dieses Monopol haben wir jetzt aufgebrochen. Die Entscheidung der Stadt Köln richtet sich ja nicht gegen uns, sie richtet sich gegen eine jahrelange Praxis, die so nicht rechtens war. Für uns ist das also doppelt positiv: Mytaxi-Fahrer können den Bahnhof frei anfahren und wir können so mehr Fahrer für unser System gewinnen.

Wie viel positives Feedback gibt es denn von den Taxifahrern? In den Medien liest man oft nur von Boykott-Aufrufen.

Boykott-Aufrufe gab es nur jüngst in Köln, initiiert von einem Mitbewerber. Jedoch ohne Erfolg. Generell bekommen wir von den Fahrern sehr gute Rückmeldungen. Die Anzahl der Touren, die über Mytaxi kommen, steigt kontinuierlich und die Fahrer und Taxiunternehmer gehen ja kein Risiko ein. Unsere Provision, die bei fairen sieben Prozent liegt, fällt nur für eine erfolgreich vermittelte Tour an. Wenn die Fahrer nicht unterwegs sind, zahlen sie auch nichts. Das ist anders als bei Zentralen, wo ein monatlicher Fixbetrag bezahlt wird. Die Vorteile, die Mytaxi bietet, erkennen immer mehr Fahrer und Unternehmer. Sicher ein Grund, warum sich die Zahl der aktiven Mytaxi-Fahrer im vergangenen Jahr verdoppelt hat.

Viele Fahrer befürchten, dass Mytaxi die Provisionen dann erhöhen wird, wenn das Unternehmen die Marktführerschaft übernommen hat.

Dieses Gerücht wird gern von Mitbewerbern gestreut. Dabei wird übersehen, dass wir auf ein partnerschaftliches Verhältnis mit den Fahrern angewiesen sind. Wir haben immer das „Henne-Ei-Problem“. Wir brauchen eine große Flotte an Fahrern, um den Bedarf der Nutzer zu decken. Ohne zufriedene Fahrer gäbe es kein Mytaxi. Deswegen sind die Provisionen bei uns günstig. Natürlich müssen wir Geld verdienen, aber die Fahrer bleiben unsere Partner. Würden wir, egal ob Marktführer oder nicht, damit anfangen, die Fahrer auszubeuten, würde schnell ein dritter Anbieter auf dem Markt auftauchen, der 10 Prozent weniger Provision verlangt. Jeder Taxifahrer würde uns in so einem Moment verlassen. So ist nun mal das Marktwirtschaftsdenken. Man muss darauf achten, dass Preis und Leistung passt und im Einklang ist.

Wie hat sich das Geschäft für Mytaxi im letzten Jahr entwickelt?

Wir reden nicht oft über Zahlen und können auch nicht im Detail etwas dazu sagen. Aber vielleicht eine Zahl, die ganz interessant ist: Wir haben im letzten Jahr nicht nur die Zahl der aktiven Fahren, die für Mytaxi unterwegs sind, verdoppelt, sondern auch das Tourenvolumen verdreifacht. Kurz: Wir sind mit der Geschäftsentwicklung sehr zufrieden.

Läuft Deutschland Gefahr, durch Überregulierung und Verbot neuer Dienstleistungen rückständig zu werden?

Die Frage nach einer Öffnung der gesetzlichen Regeln, ist nicht einfach zu beantworten. Ich bin der Meinung, dass wir schon eine gewisse Art von Überprüfung haben müssen, was den Fahrer und deren Fahrzeuge angeht. In den USA wird teilweise nicht mal geprüft, ob ein Uber-Fahrer einen passende Lizenz hat. Das geht zu weit. Auf der anderen Seite muss auch hinterfragt werden, ob jeder Fahrer unbedingt jede Strasse einer Stadt kennen muss. Navigationsgeräte sind ja mittlerweile Standard, jeder Fahrgast kann eine Strecke auf seinem eigenen Smartphone überprüfen. Wir sind auch der Meinung, dass das Preisfindungsmodell flexibler werden sollte.

Eine der Ängste, die mit Uber aber auch mit Mytaxi verbunden wird, ist aber gerade das flexible Preismodell. Das Argument lautet, dass eine Rentnerin plötzlich für ihre 15 Euro Fahrt zur Reha bei einer hohen Auslastung der Taxis plötzlich 30 Euro oder mehr zahlen muss.

Da gibt es sehr, sehr viele Pros und Contras für diese Sichtweise, beziehungsweise die Fragestellung. Dass man als Unternehmen keine preisliche Obergrenze haben möchte, ist eine Sache. Aber es gibt ja auch eine ethische Verantwortung, die man in dem Bereich hat. Absolut. Das muss sichergestellt werden und geht mit dem Modell von Uber nicht. Ich würde nie, nur weil es vielleicht eines Tages möglich sein sollte, den Preis brutal nach oben drücken wollen. Deswegen sollte es schon eine Deckelung in dem Bereich geben. Ich glaube auch nicht, dass derartige Preismodelle wie von Uber funktionieren. Wenn man einmal für eine 20-Euro-Fahrt plötzlich 300 Euro zahlen soll, nutzt man den Dienst nicht mehr.

Eine andere Variante mehr zu Geld verdienen wäre die Ausweitung des Geschäftsmodells. Gerade im Bereich der Lieferung und des Transports auf dem letzten Kilometer zum Kunden bewegt sich einiges. Hat Mytaxi Interesse, in diese Richtung zu gehen?

Wir haben das Segment „Lieferung“ schon mal angetestet, waren aber damals vermutlich etwas zu früh, beziehungsweise zu innovativ für den Markt. Aber wir haben die Technik fertig und könnten jederzeit los legen. Voraussetzung ist natürlich ein Partner, der neue innovative Lieferketten etablieren möchte. Möglich ist also viel, aber wir konzentrieren unszur Zeit lieber auf unser Kerngeschäft und das ist die Vermittlung von Taxifahrten.

Mytaxi gehört seit September 2014 zum Daimler-Konzern. Hilft die Unterstützung von Daimler bei der Internationalisierung?

Die Infrastruktur von Daimler und deren Tochter Car2Go ist natürlich eine große Hilfe. Wenn wir auf einen neuen Markt kommen, dann unterstützt uns Daimler selbstverständlich. Das fängt bei der Suche nach Arbeitnehmern an und geht hin bis zur Bürosuche.

Wie sieht die Strategie von Mytaxi für die weitere Internationalisierung aus?

Im Moment sind wir in sechs europäischen Ländern aktiv. Aber wir wollen bis Ende 2016 in möglichst allen wichtigen europäischen Kernländern vertreten sein. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unsere Services europaweit anbieten zu können. Schon heute kann man in Madrid, Mailand, Lissabon oder Warschau mit der Mytaxi-App ein Taxi rufen und vor allem bezahlen. Man braucht weder Bargeld, noch eine andere Währung. Das soll in Zukunft auch in anderen europäischen Metropolen möglich sein.

Das bedeutet, dass die Expansions- und Investitionsphase von Mytaxi noch lange nicht abgeschlossen ist?

Das ist richtig. Wir wollen in ganz Europa neue Kunden dazu gewinnen.

Wann muss eine schwarze Null im Geschäftsbericht stehen?

Wir sind in einzelnen Städten schon profitabel. Wenn das nicht so wäre, würden wir vermutlich nicht hier sitzen. Aber natürlich kostet eine Expansion auch Geld. Wir haben aber klare Planungen, wann und wie wir expandieren und wann eine neu hinzugekommene Stadt profitabel sein sollte. Und da liegen wir im Plan.

Bild: mytaxi